Wirklich jeder kennt es...

Intrusive Thoughts: Wieso solche unerwünschten Gedanken eigentlich ganz normal sind

Das Foto zeigt eine Frau mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, die ihre Wange mit der Hand stützt. Sie hat lange, geflochtene Haare und trägt einen gemütlichen Strickpullover. Im Hintergrund ist ein helles und modern eingerichtetes Zimmer mit Pflanzen und Regalen zu erkennen. Ihr Blick scheint in die Ferne gerichtet, was darauf hindeuten könnte, dass sie in Gedanken versunken ist.
© IMAGO / Westend61
Gedanken, die einen ganz plötzlich überkommen und oft aggressiver Natur sind, nennt man "intrusive thoughts".

Überkommt dich manchmal am Bahnsteigrand auch der Gedanke, dich einfach vor den Zug zu werfen? Keine Sorge, du sind nicht verrückt. Solche Gedanken nennt man "intrusive thoughts" – und die sind meist gar nicht so schlimm.

Der Kopf und der Verstand des Menschen sind wirklich etwas Erstaunliches. Doch manchmal spielt uns das Gehirn auch einen kleinen Streich.

Kennst du es beispielsweise, wenn du auf dem Weg zur Arbeit jemandem begegnest, der einen Kaffee in der Hand hat, dass dich kurz der Gedanke überkommt, der Person einfach den Becher aus der Hand zu schlagen? Oder wenn du bei einem Spaziergang eine Brücke überquerst und kurz daran denkst, dein Handy einfach ins Wasser zu werfen? All das sind sogenannte "intrusive thoughts" alias intrusive Gedanken. Was diese Art von Überlegungen ausmacht und warum sie ganz natürlich sind, erfährst du hier.

Was sind eigentlich "Intrusive thoughts"?

Intrusive Gedanken sind solche, die dich ganz plötzlich und ohne Vorwarnung überkommen. Meist sind sie ungewollt und unschön, denn die Gedanken sind oftmals sexueller oder aggressiver Natur und passen somit nicht zur allgemeinen Moralvorstellung. Immerhin wollen wir uns nicht wirklich vor die einfahrende Bahn werfen oder unser Handy von einer Brücke schmeißen.

Doch intrusive Gedanken sind nicht gleich intrusive Gedanken. So richten sich einige dieser Überlegungen nach innen und drehen sich um selbstverletzendes Verhalten, während andere die Aggression nach außen und gegen andere richten. Die verschiedenen Arten der intrusiven Gedanken sind in etwa:

  • Zweifel, Aufgaben nicht richtig zu erledigen oder niemals zu Ende bringen zu können
  • sexuelle Handlungen oder Situationen
  • sich in der Öffentlichkeit falsch zu verhalten, zu blamieren und aufzufallen
  • Keime, Infektionen oder andere Arten von Verunreinigungen
  • Religion, Blasphemie oder eine unmoralische Person zu sein
  • gewalttätige Handlungen, Schaden für andere Menschen verursachen, aggressive Wutausbrüche und Co
  • intrusive Gedanken können aber auch in andere Themengebiete fallen, die hier nicht aufgelistet sind

Erlebst du immer wieder mal intrusive Gedanken, lasse dir gesagt sein, dass du damit keineswegs allein bist. Eine Studie aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass etwa 94 Prozent der Teilnehmer*innen in den vergangenen drei Monaten vor der Befragung mindestens einmal einen intrusiven Gedanken hatten.

Dabei kamen Versagensängste, Zweifel oder die Sorge, eine Aufgabe nicht ordentlich erledigen zu können, am häufigsten vor. Am anderen Ende der Liste, also am wenigsten verbreitet, waren hingegen Gedanken zu sexuellen oder religiösen Themen.

Wenn sich solche Überlegungen einem gewissermaßen aufzwängen, kann das zwar störend sein, doch die meisten Menschen schütteln den Gedanken schnell wieder ab. Dass solche Gedanken dann und wann mal auftreten, ist etwas ganz Natürliches und ein Teil des alltäglichen Lebens.

Gründe für intrusive Gedanken

Auch wenn dich das nun vielleicht etwas überraschen wird: Oftmals haben die sich aufzwingenden Gedanken keinen richtigen Grund, sondern passieren einfach zufällig und aus der Situation heraus. Manche dieser Gedanken gehen aber auch so schnell wieder weg, wie sie gekommen sind.

In seltenen Fällen stehen die aufploppenden Gedanken ebenfalls mit zugrunde liegenden psychischen Erkrankungen in Zusammenhang, wie beispielsweise einer Zwangsstörung, einer Ess- oder Angststörung sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung. Weitere Gründe können Hirnverletzungen, Demenz oder eine Parkinson-Erkrankung sein.

Anzeichen dafür, dass womöglich ein zugrunde liegendes Problem vorliegt, sind unter anderem:

  • wenn solche Gedanken länger als nur einen Moment anhalten
  • wenn sie in dir mit der Zeit Stress verursachen
  • wenn der gleiche Gedanke regelmäßig wiederkommt

Aber sei beruhigt, die allermeisten Menschen, denen intrusive Gedanken widerfahren, haben keine psychische Erkrankung. Manchmal stehen Sie einfach in Verbindung mit Stress, Angst oder hormonellen Veränderungen im Körper. So kann eine Mutter kurz nach der Geburt ihres Kindes beispielsweise anfälliger für solche sich aufdrängenden Gedanken sein. "Jeder Stressfaktor im Leben, sofern er groß genug ist, kann das Risiko für aufdringliche Gedanken erhöhen", sagt Dr. Kerry-Ann Williams, Dozentin für Psychiatrie an der Harvard Medical School.

Intrusive Gedanken identifizieren

Doch wie kannst du sicher sein und wissen, ob es sich bei dem seltsamen Gedanken, der dir gerade in den Kopf gekommen ist, wirklich um Intrusion handelt? Hier sind ein paar Anzeichen dafür, dass der Gedanke eigentlich ganz harmlos ist:

  1. Der Gedanke ist für dich ungewöhnlich
  2. Du empfindest den Gedanken als störend
  3. Der Gedanke fühlt sich schwer zu kontrollieren an

"Je mehr du darüber nachdenkst, desto ängstlicher wirst du und desto schlimmer werden die Gedanken", erklärt Dr. Williams. Anstelle mit den aufdringlichen Gedanken auf dem Kriegsfuß zu stehen, solltest du lernen, mit ihnen zu leben.

Denn sich aufdrängende Gedanken können zwar störend sein, sie sind meist allerdings nicht schädlich oder ein Zeichen dafür, dass du die Dinge, die dir in den Kopf kommen, insgeheim in die Tat umsetzen willst. Empfindest du die "intrusive thoughts" aber als lästig, gibt es einige Kleinigkeiten, die du dagegen tun kannst.

Was du gegen die unerwünschten Gedanken tun kannst

Einige Menschen empfinden angesichts ihrer "intrusive thoughts" Scham oder machen sich Sorgen um ihr mentales Wohlbefinden. Wie bereits erwähnt, sind intrusive Gedanken aber nicht gefährlich und haben keinen genauen Grund. Solange du deine plötzlich auftretenden Überlegungen nicht in die Tat umsetzen willst oder diese dich nicht im Alltag einschränken, hast du eigentlich keinen Grund zur Sorge.

Die besten Bewältigungsstrategien gegen "intrusive thoughts" sind:

Psycho-Hygiene und Achtsamkeit

Um bestmöglich mit solchen Hirngespinsten umzugehen, ist es zuallererst wichtig, den Gedanken als intrusiven Gedanken zu identifizieren und dass du erkennst, was diese Überlegungen eigentlich sind – nämlich nur Gedanken, die auch wieder weggehen.

Diese Vorstellungen stimmen zudem nicht mit deinem Moralverständnis, deinen Vorstellungen oder deinen Wünschen überein. Gedanken, Absichten und Verhalten sind nicht dasselbe und "intruisve thoughts" kommen und gehen, ohne dass man sie direkt in die Tat umsetzen muss. Du solltest außerdem nicht gegen solche Gedanken ankämpfen oder dich dagegen sträuben. Akzeptiere, was du gerade gedacht hast und verurteile dich nicht selbst dafür.

Kognitive Verhaltenstherapie

Bei der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) arbeitest du mit einer oder einem Therapeut*in zusammen an der Wahrnehmung deiner Gefühle, Gedanken, körperlichen Empfindungen, Verhaltensweisen und deinem sozialen Umfeld. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Linderung deiner Beschwerden und der Registrierung von negativen Gedanken, Gefühlen und Ähnlichem.

Im nächsten Schritt erfolgt eine Bewertung der Gedanken sowie eine Erarbeitung von Strategien und Hilfsmitteln, um eine Veränderung im Alltag zu bewirken. Das kann helfen, Denkweisen zu erlernen, mit denen dir die intrusiven Gedanken weniger ausmachen. 

Medikation

In einigen Fällen können auch Medikamente helfen, um deine Beschwerden zu lindern und beispielsweise eine Zwangsstörung, eine PTBS oder eine Angststörung zu behandeln.

Um herauszufinden, ob deine intrusiven Gedanken mit einer psychischen Störung zusammenhängen, empfiehlt es sich ebenfalls, sich bei Fachpersonal eine Einschätzung und gegebenenfalls Diagnose einzuholen. Selbstverständlich sollte die Einnahme von Tabletten erst die letzte Möglichkeit sein, wenn alle anderen Verbesserungsversuche keine erwünschten Ergebnisse gezeigt haben.

"[Es zeigt sich], dass nicht die unerwünschten, aufdringlichen Gedanken das Problem sind, sondern das, was man aus diesen Gedanken macht", versichert auch der Psychologieprofessor Adam Radomsky.

Die gesamte Studie über intrusive Gedanken kannst du hier in englischer Sprache nachlesen.

Quellen:
healthline.com, complicated.life, health.harvard.edu, concordia.ca, therapyinanutshell.com
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